In der interdisziplinären Frühförderstelle arbeiten Kolleginnen aus den verschiedensten Berufsgruppen zusammen. Das Arbeiten im Team bereichert die Arbeit enorm. Alle Kolleginnen bringen spezifisches Wissen ein und dadurch auch unterschiedliche Sichtweisen. Zudem sind wir durchgehend dabei, unser Fachwissen stetig weiterzuentwickeln und stets auf den aktuellsten Stand zu bringen.
Die Ergotherapie hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Der Kern, das betätigungszentrierte und klientenzentrierte Arbeiten, ist wieder verstärkt in den Fokus genommen worden. Um diese Arbeitsweise besser verstehen zu können, wird im Folgenden kurz erklärt, was Ergotherapeut/innen unter Betätigung verstehen.
Was ist Betätigung?
Wir alle gehen in unserem Alltag unterschiedlichen Aktivitäten nach, die eine ganz individuelle Bedeutung für uns haben. Wir tun Dinge aus unterschiedlichen Gründen und aus verschiedenen Motivationen heraus.
Die einen kochen gerne, die anderen kochen, weil sie es eben müssen. Wieder andere kochen gar nicht, weil es ihnen keinen Spaß macht und diese Tätigkeit vielleicht die Lebenspartnerin übernimmt. Für diese Menschen ist kochen dann überhaupt keine Betätigung.
Manche gehen gerne wandern, andere fahren lieber mit dem Fahrrad. Diese bedeutungsvollen Alltagsdinge nennen wir Betätigungen – kurz gesagt eine Aktivität mit Bedeutung.
Auch Kinder gehen unterschiedlichen Betätigungen nach. Für manche Kinder zählt das Basteln oder Fußball spielen als Betätigung. Andere mögen Regelspiele und wieder andere spielen gerne fangen. Zu den Betätigungen, die Kinder gerne machen, gibt es Betätigungen, die von ihnen erwartet werden, wie zum Beispiel in der Kita ruhig am Morgenkreis teilzunehmen oder im Kindergarten Brotzeit zu machen.
Die Betätigungsentwicklung von Kindern
Im Gegensatz zur kindlichen Entwicklung betrifft die Betätigungsentwicklung unser ganzes Leben und hört nie auf. So müssen wir immer wieder neue Betätigungen erlernen. Junge Eltern beispielsweise müssen lernen ein Baby zu wickeln, obwohl sie es vielleicht noch nie gemacht haben. Andere beginnen ein neues Hobby.
Viele Fachstellen überprüfen die Entwicklung von Kindern. So wird die motorische Entwicklung eines Kindes zum Beispiel daran gemessen, ob ein Kind in einem bestimmten Alter auf einem Bein stehen kann oder ob es in der Lage ist, mit geschlossenen Beinen zu hüpfen. Diese Überprüfungen sind wichtig und können uns einen Hinweis darauf geben, warum sich Kinder in bestimmten Bereichen leicht oder schwer tun oder ob sich eine Entwicklungsverzögerung abzeichnet.
Sie sagen jedoch nichts darüber aus, ob ein Kind in der Lage ist, bestimmte Betätigungen auszuführen.
Schauen wir uns zum Beispiel das Klettern an der Sprossenwand an. Es gibt Kinder, die motorisch dazu in der Lage sind und trotzdem klappt es nicht. Das kann viele verschiedene Gründe haben. Möglicherweise hat das Kind es noch nie ausprobiert. Die Sprossen sind für die Größe des Kindes zu weit auseinander ist oder das Kind hat nicht das nötige Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten.
Ob eine Betätigung ausgeführt werden kann, ist außerdem davon abhängig, wo die Betätigung stattfindet. Es gibt beispielsweise Kinder, die sich zuhause ohne Probleme anziehen können. Im Kindergarten hingegen gelingt es überhaupt nicht. Wie wir sehen, sind Betätigungen sehr komplex. Ebenso komplex ist es, wirkliche Betätigungen in die Therapie miteinzubeziehen.
Was hat das jetzt mit der Ergotherapie in der Frühförderstelle zu tun?
Um auch bei uns in der Frühförderstelle konkreter die Betätigungen von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es seit letztem Jahr ein neues Instrument bei uns: das Pädiatrisch ergotherapeutische Assessment und Prozessinstrument kurz PEAP.
Um dieses kompetent anwenden zu können, hat eine unserer Ergotherapeutinnen vor kurzem eine Fortbildung dazu besucht. Das PEAP hat das Ziel, die Eltern und Kinder in die Therapie miteinzubeziehen und die Betätigungen des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Denn die Kinder und Eltern sind die Experten für ihren Alltag und wissen am besten, was gut funktioniert und wo sie Unterstützung benötigen.
Mithilfe von Bildkarten können die Kinder beispielsweise ein Küken auf einen Teich stellen und so einschätzen, was sie schon wissen und was sie noch lernen möchten. Mit kleinen Hühnereiern können sie zeigen, wie wichtig ihnen die jeweilige Betätigung ist. Die Eltern und Erzieher/innen bekommen parallel dazu einen Fragebogen. So entsteht am Ende ein ganzheitliches Bild auf die Betätigung des Kindes aus verschiedenen Blickwinkeln.
Genau wie bei anderen Testverfahren kommen am Ende statistische Werte heraus. An diesen wird deutlich, in welchem Betätigungsfeld, gemessen an dem jeweiligen Altersniveau, das Kind noch Unterstützung benötigt. So könnte zum Beispiel deutlich werden, dass das Kind noch Schwierigkeiten bei der Interaktion in der Gruppe zeigt, dagegen das Betätigungsfeld Kleine Aufgaben im Haushalt übernehmen jedoch keine Probleme verursacht.
Aus den Ergebnissen können im weiteren Verlauf mit allen Beteiligten gemeinsam Ziele und eine Handlungsplanung formuliert werden.
Diese Ziele können wir mithilfe des PEAP in der Ergotherapie weiter verfolgen. Das passiert in enger Absprache mit den Kolleginnen aus den anderen Fachbereichen. Nach einigen Monaten ist anhand des PEAPs eine erneute Überprüfung möglich, ob sich die Betätigungen verändert haben und das Kind besser an seinem Alltag teilnehmen kann.
Fazit
Das PEAP ist eine geeignete Hilfe, um den Fokus verstärkt auf die Betätigungen der Kinder und Eltern zu lenken und alle miteinzubeziehen. Vielleicht ist es nicht bei allen Familien das Mittel der Wahl. Für viele jedoch kann es eine große Bereicherung sein. Das PEAP wurde überprüft und ist standardisiert. Das bedeutet, dass eine wissenschaftliche Basis zugrunde liegt. Die Durchführung muss stets nach gleichen Regeln und Bedingungen erfolgen, so dass wissenschaftlich fundierte Ergebnisse erzielen werden können.
Wir freuen uns schon jetzt darauf, die Eltern verstärkt in die Anwendung des PEAP miteinzubeziehen und die bedeutungsvollen Aktivitäten der Kinder in den Mittelpunkt der Ergotherapie innerhalb der Frühförderstelle zu stellen.
Lena Nußrainer